Brainwave Special - FemTech

Oct 7, 2020
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BRAINWAVE INSIGHTS

Zu Unrecht unterschätzt - warum wir anfangen müssen über FemTech zu reden!

Ob Gesundheitstracker von Apple oder Amazon, Virtual Reality-Tools für Ärzte, KI-gestützte Symptom-Checker oder digitale Therapeutika - die Liste an News im digitalen Gesundheitsbereich ist lang. Doch nur selten fällt der Name FemTech, Women's Health oder Frauengesundheit.

Was ist FemTech eigentlich? Der Begriff umschreibt technologische Angebote und Services, die sich auf die Gesundheit der Frau konzentrieren. Die Lösungen reichen von Fruchtbarkeits- und Zyklus-Tracking, über Schwangerschaftsbegleitung und Tele-Hebammen, bis hin zu Lösungen zum Thema Sexual Awareness und Menopause. Aber auch E-Commerce-Produkte, wie Periodenunterwäsche oder Supplements komplementieren den Trend. Also eigentlich genug worüber man berichten könnte und trotzdem wird FemTech immer noch häufig als Nischenmarkt bezeichnet.

Welche Herausforderungen stellen sich dem FemTech Markt? Einerseits wächst der Markt. Das globale Finanzierungsvolumen für FemTech Startups lag in 2019 bei über $ 590 Mio. und war somit bereits 10-mal so hoch wie noch in 2009. Andererseits gehen damit gerade einmal 10% der weltweiten Investitionen an FemTech Startups. Dabei machen Frauen die Hälfte der Weltbevölkerung aus und benötigen jährlich geschätzt $ 500 Mrd. für medizinische Gesundheitsausgaben. FemTech Startups werden meist von Frauen gegründet und haben es schwer Risikokapital zu sammeln. Die Investoren-Community besteht nämlich zum Großteil aus Männern (94% bei den Top 100 Unternehmen), welche die Gesundheitsprobleme von Frauen oft nicht verstehen.

Und jetzt? Wir sehen also einen wachsenden Markt mit insgesamt viel Innovationspotenzial und der Möglichkeit nicht nur vielen Frauen auf der Welt zu helfen, sondern auch spannende unternehmerische Chancen auszuschöpfen. Deshalb fragen wir uns, wie der FemTech Markt noch immer als Nischenmarkt gesehen werden kann? Wir müssen anfangen mehr über die Gesundheit von Frauen zu sprechen und müssen Startups in diesen Bereichen stärker fördern.

MARKTÜBERBLICK

Wir haben uns den deutschen FemTech Markt mal etwas genauer angesehen! Bei Betrachtung der FemTech-Startups, die auf dem deutschen Markt tätig sind, fällt auf, dass es besonders viele Anbieter für den Bereich des Zyklus- und Fruchtbarkeits-Trackings gibt. Bereits so viele, dass bspw. Cherry Ventures Investorin Katharina Wilhelm in dem Feld viele "gute Lösungen und nur noch wenig Innovationspotenzial" sieht. Auch sehen wir unter den Fruchtbarkeits-Tracking Tools eine große Bandbreite an verschiedenen Technologien, die von Atem- und Temperaturmessung, bis hin zu Armbändern reichen. Das Thema Schwangerschaft wird von den Startups mit einer digitalen Schwangerschafts-Begleitung abgedeckt. Die Menopause ist ein Segment das, anders als hierzulande, vor allem auf dem US-Markt schon angekommen ist. Recht breit vertreten sind Konsumprodukte rund um die Periode. Startups im Bereich Sexual Awareness sind eher selten, sorgen aber mit innovativen Angeboten, wie dem von femtasy, aktuell für Aufmerksamkeit.

Die deutsche FemTech Landscape

Quelle: Brainwave Hub, Eigene Darstellung

*Bis auf XbyX sind alle gezeigten Unternehmen für die Menopause ausschließlich auf dem US-Markt tätig

GAST-ARTIKEL

Über die Autorin: Sarah Seddig ist Doktorandin und forscht nicht nur über das Thema FemTech, sondern ist auch noch Gründerin der Forschungsplattform Sexploratory Issues. Ziel der Plattform ist es, die Informationslücken in Bezug auf sexuelle und reproduktive Gesundheit von Frauen zu überbrücken und gleichzeitig Einblicke in innovative Gesundheitstechnologien wie etwa FemTech zu geben.

FemTech en vogue: Female Technology ist weit mehr als nur ein ‘Nischenmarkt’ im Digitalen Gesundheitssektor

Ob smarte Tampons, tragbare Bluetooth Milchpumpen und Beckenbodentrainer, oder digitale Zyklus- und Fruchtbarkeits-Applikationen für das Smartphone - nie zuvor war das Tracking/die Verfolgung, sowie als auch das Monitoring/die Überwachung der eigenen Menstruation, Schwangerschaft oder der Wechseljahre so sehr en vogue.
Lange Zeit waren Frauen in der digitalen Gesundheitstechnologie unterrepräsentiert. Nun widmet sich eine bemerkenswerte und exponentiell steigende Anzahl digitaler Gesundheitsanwendungen und Tech-Innovationen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, als auch dem ganzheitlichen Wohlbefinden von Frauen zu.
Mit einem antizipierten 50 Milliarden US Dollar Wachstumspotenzial bis 2025 positioniert sich der Fem-Tech-Sektor, entgegen bisherigen Einschätzungen als Nischenmarkt, keineswegs als Modeerscheinung. Vielmehr weist er ein nachhaltig großes Potenzial auf, mit alten Mustern im digitalen Gesundheitssektor aufzubrechen und die digitale Gesundheit zu revolutionieren.
FemTech Produkte bieten Lösungen für Probleme, die rund die Hälfte der Weltbevölkerung beschäftigen. Entsprechend steigt, simultan zur wachsenden Nachfrage nach FemTech Produkten, ebenfalls das Interesse von Investoren. 
 
Von der Definition einer neuen Technologiegruppe…
Ida Tin, Mitbegründerin der menstruations-tracking app Clue, prägte die Bezeichnung Femtech (kurz für Female Technology) wesentlich mit. Auf der TechCrunch Disrupt Conference 2016 definierte sie damit einen Sammelbegriff für verschiedene Technologien, die speziell darauf abzielen, die Gesundheitsversorgung von Frauen zu unterstützen.
Neben einer Reihe digitaler Gesundheitssoftwares und technologischer Dienstleistungen, gehören elektronische Geräte, zum Beispiel tragbare Technologien (sogenannte Wearables), sowie andere Formen von Diagnostik- und Untersuchungs-Technologien zu FemTech Produkten.
Erst durch diese konkrete Definition von FemTech, als eine eigene Produktgruppe zwischen Technologie- und Gesundheitssektor, konnte ein neuer Markt identifiziert und etabliert werden.
 
… zu der Etablierung eines neuen Markts im digitalen Gesundheitssektor
Als einer der am schnellsten wachsenden und gut finanzierten Märkte des digitalen Gesundheitssektors, nehmen Investitionen und die Distribution finanzieller Mittel innerhalb des FemTech Markts zu. 
Die bestehenden FemTech Produkte zeigen unterschiedliche Herangehensweisen an weiblichen Gesundheitsproblemen. Das Feld bietet auch in Zukunft attraktive Möglichkeiten für Unternehmen, um gesundheitliche Versorgungslücken durch innovative Ideen und modernen Technologien zu schließen, und die entsprechend auf Frauen ausgerichtete Gesundheitsprodukte zu designen.
Laut eines Rock Health-Berichts stiegen Investitionen und Förderungen im FemTech Bereich von 2014 bis 2018 um bis zu 812% an. Innovationen im Bereich der Frauengesundheit bergen ein enormes Potenzial Hindernisse zu überwinden, die zu gesundheitlichen Ungleichheiten führen können. Zu diesen Hindernissen gehören unter anderem mangelhafte Datensätze oder Langzeitstudien. Investitionen in diesem Bereich tragen so gleichzeitig zu einer besseren Gesamtversorgung von Frauen bei. 
 
Mehr als nur ein ‘Nischenmarkt’
Es besteht eine Diskrepanz zwischen den jährlichen Ausgaben von Frauen für medizinische Kosten und der geringen Forschung und Entwicklung innerhalb des Gesundheitswesens, welche sich speziellen Bedürfnissen von Frauen annehmen.
Durch die Entwicklung von innovativer Technologie zeigt FemTech bereits heute das Potenzial Probleme besser sicht- und behandelbar zu machen, dadurch die Gesundheit von Frauen zu stärken und Frauen dabei behilflich zu sein, Verantwortung und Selbstbestimmung für ihre Gesundheit zu übernehmen.

INTERVIEW 

Peggy Reichelt (r. im Bild) ist eine erfolgreiche Gründerin, die bereits Anfang der 2000er ihr erstes Startup gegründet und anschließend verkauft hat. Jetzt startet sie mit dem Startup XbyX durch, das sie 2019, zusammen mit Monique Leonhardt (l. im Bild) gegründet hat. Fokus des jungen Unternehmens ist die hormonelle Balance von Frauen in der Menopause.

Brainwave: Wir beobachten schon länger ein wachsendes Interesse für das Thema FemTech. Startups wie Clue, Ava oder Ovy sind den meisten wohl mittlerweile ein Begriff. Aber was ist FemTech überhaupt und warum ist es so wichtig?

Peggy: Im Kern umschreibt FemTech Technologien, die speziell für Frauen entwickelt wurden und einen Fokus auf alles haben, was die reproduktiven Jahre der Frau umfasst. Wenn man sich mal ein bisschen damit beschäftigt, merkt man relativ schnell, dass von der medizinischen Entwicklung, bis hin zur Städteplanung eigentlich immer alles für den Mann entwickelt wurde. So wurden auch sehr häufig Medikamente entwickelt, die für Männer gut funktionieren, aber für Frauen nicht. Mit der Begründung, dass frauenspezifische Tests aufgrund von Fruchtbarkeit und Schwangerschaft zu gefährlich, sowie aufgrund hormoneller Schwankungen zu komplex sind. In sich schon pure Ironie, denn noch gefährlicher sind Medikamente, die für bestimmte Anwendungsbereiche bei Frauen nicht funktionieren. Andersherum geht es natürlich genauso, aber das passiert eher seltener.

Ich persönlich finde es deshalb gut, dass es den Begriff "FemTech" gibt und die Startup Branche erstmals ein Augenmerk darauf gelegt hat, für 50 Prozent der Bevölkerung auch eigene Produkte zu entwickeln - eigentlich ein no brainer.

Brainwave: Peggy, im letzten Jahr hast Du mit Monique Leonhardt XbyX gegründet. Euer Fokus ist die hormonelle Balance der Frau rund um die Menopause. Warum ist die Menopause ein wichtiges Thema? Und wie würdest Du Euch in die FemTech Welt einordnen?

Peggy: Das gesamte Thema FemTech ist zwar toll, aber eine Frau hört nicht nach dem Ende der Fruchtbarkeit auf zu existieren. Und die meisten Unternehmen, die es bisher gibt, behandeln größtenteils Fertilität, Periode und die Schwangerschaft. Unsere Zielgruppe geht ungefähr ab 40 Jahren los. Ganz viele unserer Frauen haben natürlich auch noch ihre Periode. Das ist durchaus noch ein Thema, aber andere Themen sind da durchaus wichtiger. Deswegen ist das Thema Menopause ein Teil von FemTech, der einen etwas anderen Fokus braucht und bei dem es aktuell einfach relativ wenig Wissen, wenig Forschung, aber vor allem auch wenig spezifische Produkte gibt.

Brainwave: Anders als beispielsweise das Thema Zyklus und Fruchtbarkeit, ist die Menopause bei deutschen Startups bislang noch kaum vertreten. Was für Chancen seht Ihr als Startup dabei?

Peggy: Ich selbst habe bei Fragen zum Thema Healthy Aging extrem frustrierende Erfahrungen damit gemacht, wie wenig Informationen verfügbar sind. Insbesondere wie selten relevante Informationen gut aufbereitet und auch einfach zugänglich sind. Das betrifft nicht nur das Thema Wechseljahre, sondern generell was es heißt gesund zu altern. Wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt, merkt man, dass Themen wie Alzheimer, Osteoporose oder auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen uns Frauen ab der Lebensmitte deutlich stärker betreffen als vorher. Das weiß keiner, darüber redet keiner und somit wird das ausgeblendet.

Auch sind die Produkte, die jetzt auf dem Markt sind, oft eher für Senioren konzipiert und die Frauen erkennen sich da häufig nicht wieder. Wenn man das Thema Wechseljahre googelt, dann gucken einen Frauen an, die eher im Alter meiner Mutter, als in meinem Alter sind. Genau daraus resultiert dann auch unser ProAge-Anspruch: Wir wollen zeigen, dass Frauen heute anders aussehen, andere Dinge brauchen. Das ist unser Fokus, unsere Mission. Vor allem aber wollen wir erst mal mit dem Mythos aufräumen, dass die Wechseljahre ein Synonym für Hitzewallungen und das Alter 50 plus sind!

Brainwave: Um genau das zu tun, habt Ihr bei XbyX neben natürlichen Produkten für eine hormonelle Balance auch schon ein Magazin, Rezepte und sogar einen 7-wöchigen Audio Kurs. Im FemTech Bereich sehen wir viele Unternehmen, die einen ganzheitlichen Plattform-Ansatz verfolgen. Wollt Ihr die digitale Plattform der Zukunft für Frauen werden?

Peggy: Wir wollen auf jeden Fall eine Plattform für die Frauen der zweiten Lebenshälfte sein und dabei liegt unser Fokus ganz klar auf Nutrition. Ernährung ist der erste Schritt um hormonelle Balance zu finden und um gesund zu Altern. Das heißt, wir werden auf unserer Plattform keine Kosmetikprodukte anbieten. Die Kraft eines Produktes ist ganz klar immer Teil eines gesamten Konzeptes. Das bedeutet, man musst schon verstehen was dieses Produkt bewirkt, damit man es auch jeden Tag benutzt oder damit man sich entsprechend ernährt. Der ganzheitliche Ansatz ist unser Markenkern und in meinen Augen die Zukunft für den Health Markt. Prävention statt Treatment. Deswegen ist der Audio Kurs ein ganz wichtiger Punkt, um zu zeigen, dass es nicht diese eine Wunderpille für die Wechseljahre gibt. Von daher Plattform ja! - Ganzheitlichkeit auf jeden Fall!

Brainwave: Auf dem US-Markt gibt es schon mehr Unternehmen, die sich speziell mit der Menopause beschäftigen, wie etwa Kindra, Gennev oder Caria. Seht Ihr internationale Player als Konkurrenz für den deutschen Markt?

Peggy: Ich finde es super, dass es in Amerika eine ganze Menge Firmen gibt, die endlich mal loslegen. Genauso in der UK, die da sehr weit vorne sind, so wie Australien und Neuseeland. Es gibt Startups wie Kandy Therapeutics, die gerade an Bayer verkauft worden sind, die eine non-hormonelle Medikamenten Basis haben. Zusätzlich hat man Unternehmen wie Gennev, die ihre Produkte jetzt um einen Telehealth-Ansatz ergänzen. Dafür, dass dieser Markt so groß ist, finde ich gibt es aber immer noch wahnsinnig wenige Unternehmen. Gerade weil es auch immer noch genug Platz für Angebote gibt, die sich an diese Altersgruppe richten.

Jeder Player der auf den Markt kommt, sorgt für ein bisschen mehr Awareness und bewirkt, dass endlich mehr passiert. Je mehr es gibt, desto besser ist es für den Markt. Da der Markt so groß und im Verhältnis noch relativ unterrepräsentiert ist, glaube ich, dass die US-player genug damit zu tun haben, erst mal den US-Markt aufzubauen.

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